Freitag, 6. Januar 2012

Hesse trifft so genau, dass es fast weh tut.

„Die dunkle Welle in meinem Leben, die ich fürchte, kommt auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Ich kenne die Daten und Zahlen nicht, ich habe niemals ein fortlaufendes Tagebuch geführt. Ich weiß nicht und will nicht wissen, ob die Zahlen 23 und 27, oder irgendwelche anderen Zahlen damit zu tun haben. Ich weiß nur: Von Zeit zu Zeit erhebt sich in meiner Seele, ohne äußere Ursachen, die dunkle Welle. Es läuft ein Schatten über die Welt, wie ein Wolkenschatten. Die Freude klingt unecht, die Musik schal. Schwermut herrscht, Sterben ist besser als Leben. Wie ein Anfall kommt diese Melancholie von Zeit zu Zeit, ich weiß nicht in welchen Abständen, und überzieht meinen Himmel mit Gewölk. Es beginnt mit Unruhe im Herzen, mit Vorgefühl von Angst, wahrscheinlich mit nächtlichen Träumen. Menschen, Häuser, Farben, Töne, die mir sonst gefielen, werden zweifelhaft und wirken falsch. Musik macht Kopfweh. Alle Briefe wirken verstimmend und enthalten versteckte Spitzen. In diesen Stunden zum Gespräch gezwungen zu sein ist Qual und führt unvermeidlich zu Szenen. Diese Stunden sind es, wegen deren man keine Schießwaffen besitzt; in denen man sie vermisst. Zorn, Leid, und Anklage richten sich gegen alles, gegen Menschen, gegen Tiere, gegen die Witterung, gegen Gott, gegen das Papier des Buches, in dem man liest, und gegen den Stoff des Kleides, das man anhat. Aber Zorn, Ungeduld, Anklage und Hass gelten nicht den Dingen, sie kehren von ihnen allen zurück zu mir selbst. Ich bin es, der Hass verdient. Ich bin es, der Missklang und Hässlichkeit in die Welt bringt.
Ich ruhe heut von einem solchen Tage aus. Ich weiß, dass nun eine Weile Ruhe zu erwarten ist. Ich weiß, wie schön die Welt ist, dass sie für mich zu Stunden unendlich schöner ist als für irgendjemand sonst, dass die Farben süßer klingen, die Luft seliger rinnt, das Licht zärtlicher schwebt. Und ich wei0, dass ich das bezahlen muss durch die Tage, wo das Leben unerträglich ist. Es gibt gute Mittel gegen die Schwermut: Gesang, Frömmigkeit, Weintrinken, Musizieren, Gedichtemachen, Wandern. Von diesen Mitteln lebe ich, wie der Einsiedler vom Brevier lebt. Manchmal scheint mir, die Schale habe sich gesenkt und meine guten Stunden seien zu selten und zu wenig gut, um die üblen noch aufzuwiegen. Zuweilen finde ich im Gegenteil, dass ich Fortschritte gemacht habe, dass die guten Stunden zu- und die bösen abgenommen haben. Was ich niemals wünsche, auch in den schlechtesten Stunden nicht, das ist ein mittlerer Zustand zwischen Gut und Schlecht, so eine laue erträgliche Mitte. Nein, lieber noch eine Übertreibung der Kurve – lieber die Qual noch böser, und dafür die seligen Augenblicke noch um einen Glanz reicher!
Abklingend verlässt mich die Unlust, Leben ist wieder hübsch, Himmel ist wieder schön, Wandern wieder sinnvoll. An solchen Tagen der Rückkehr fühle ich etwas von Genesungsstimmung: Müdigkeit ohne eigentlichen Schmerz, Ergebung ohne Bitterkeit, Dankbarkeit ohne Selbstverachtung. Langsam beginnt die Lebenslinie wieder zu steigen. Man summt wieder einen Liedvers. Man bricht wieder eine Blume ab. Man spielt wieder mit dem Spazierstock. Man lebt noch. Man hat es wieder überstanden. Man wird es auch nochmals überstehen, vielleicht noch oft.

Kennst du das auch?
Kennst du das auch, dass manchesmal
Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehen musst?
Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf
Wie Einer, den ein plötzlich Herzweh traf;
Lust und Gelächter ist versiebt wie Rauch,
Du weinst, weinst ohne Halt – Kennst du das auch?“

Herrmann Hesse, "Das Leben bestehen"

Dienstag, 3. Januar 2012

Zitat des Tages

"Have you ever been in love? Horrible isn't it? It makes you so vulnerable. It opens your chest and it opens up your heart and it means that someone can get inside you and mess you up. You build up all these defenses, you build up a whole suit of armor, so that nothing can hurt you, then one stupid person, no different from any other stupid person, wanders into your stupid life...You give them a piece of you. They didn't ask for it. They did something dumb one day, like kiss you or smile at you, and then your life isn't your own anymore. Love takes hostages. It gets inside you. It eats you out and leaves you crying in the darkness, so simple a phrase like 'maybe we should be just friends' turns into a glass splinter working its way into your heart. It hurts. Not just in the imagination. Not just in the mind. It's a soul-hurt, a real gets-inside-you-and-rips-you-apart pain. I hate love."
by Neil Gaiman

Sonntag, 1. Januar 2012

2011-2012

Jaja, schreibfaul ich war. Zeit hätte ich gehabt, aber das Leben war einfach zuviel. Zuviel Reha, zuviel Nachrichten, zuviel von allem. Nichtsdestotrotz - es ist geschafft und ich laufe wieder. Naja, was man so weitläufig laufen nennt. Es wird noch eine ganze Weile dauert, bis alles wieder so ist, wie es mal war. Wenn es überhaupt so wird, wie es mal war. Man wird sehen.
Nichtsdestotrotz - ein Rückblick und Ausblick. Musste mal wieder sein.

Vorherrschendes Gefühl für 2012?
Hoffnung. Immer wieder Hoffnung.

2011 zum ersten Mal getan?
Im Krankenhaus gelegen, Fuß gebrochen

2011 leider gar nicht getan?
In Urlaub gefahren

Unwort des Jahres?
Nachhaltigkeit

Haare länger oder kürzer?
kürzer

Mehr ausgegeben oder weniger?
eher mehr

Am meisten angerufen?
Arztpraxen, Freunde.

Die schönste Zeit verbracht mit?
Meinen Freunden und noch jemand

Die meiste Zeit verbracht mit?
anderen Patienten

Song des Jahres?
Ingrid Michaelson - All I can do is keep breathing


Buch des Jahres?
Der verborgene Garten

TV-Serie des Jahres?
Greys Anatomy

Erkenntnis des Jahres?
Knochenbrüche sind scheiße.

Drei Dinge auf die ich gut hätte verzichten können?
Krankenhaus, Rollstuhl, diverse Nachrichten beim Arzt

Schönstes Ereignis?
Aus dem Rollstuhl aufstehen und "laufen". Wieder Auto fahren können.

2011 war mit einem Wort?
mir reicht da ein Wort eigentlich nicht, aber wenn es nur eines sein soll:
Schwer. Sauschwer.

Sonntag, 21. August 2011

Home, sweet home

Seit heute Morgen bin ich ja nun endlich wieder zu Hause. Nach 8 Wochen Abwesenheit fühlt sich das irgendwie komisch an. Ich freue mich, aber ich merke nach knapp einem Tag doch, wieviel beschwerlicher das Leben hier ist. Das Krankenbett steht mitten im Wohnzimmer rum und müffelt. Duschen heute war schlichtweg eine Katastrophe. Und ständig stoß ich irgendwo an. Klar wußte ich dass es nicht einfach wird, aber es ist doch komplizierter als ich dachte. Und ich fühl mich hier als Fremdkörper, gar nicht wie zu Hause. Zusätzlich macht mir die Hitze zu schaffen.
Nach wie vor zieht jegliches Leben an mir vorbei und es fällt mir zunehmend schwerer, alles positiv zu sehen. Auch wenn ich doch einen so großen Schritt weiter bin fühl ich mich momentan so, als hätte ich einen Riesenschritt zurück gemacht. Ich will endlich mein Leben zurück. Auch wenn es mit Sicherheit nie wieder so werden wird wie es mal war. Könn ich doch nur die Zeit zurückdrehen, an diesen unsäglichen Freitag im Juni. Wären wir doch einen anderen Weg gelaufen. Hätten wir doch nur ein Glas Wein mehr getrunken. Wär ich doch nur nicht ich. Ich mag nicht mehr.

Montag, 15. August 2011

Photos! Achtung, beinhaltet Narbe.

Da meine Ruhezeit sich nun bald dem Ende zuneigt, beziehungsweise neue Formen annimmt dachte ich, ich zeig mal ein paar gesammelte Bilder der letzten Wochen. Besonders für die, die sich nicht in bekannten sozialen Netzwerken rumtummeln. Für die ist das jetzt alles nicht so neu. Also wer mag, der lese weiter.

Sonntag, 7. August 2011

Newsflash

Viel zu schreiben hatte ich nicht in der letzten Zeit - das liegt auch daran, dass hier momentan nicht wirklich viel passiert. Ich liege oder sitze halt rum und schaue meinem Fuß beim Heilen zu.
Das geht aber doch wohl etwas schneller als gedacht und somit kann ich eine erfreuliche Nachricht verbreiten - der Orthopäde meint, ich könne etwas früher als geplant mit der ersten Belastung anfangen. Das bedeutet nun, dass ich am 18. August erneut operiert werde, dann werden mir zwei Stellschrauben entfernt. Und dann darf ich anfangen zu laufen! Naja, laufen wird man es wohl nicht nennen können. Ich weiß noch überhaupt nicht, wie das funktionieren wird, wieviel ich belasten darf und ob ich das hinbekomme. Mein Kopf spielt da sicherlich eine große Rolle. Aber ich bin so unendlich froh, dass es langsam voran geht. Ein Ziel, ein Licht am Ende des Tunnels, der sich noch lang sein wird. Aber trotzdem - ich habe das Gefühl, es geht langsam wieder voran.

Ansonsten lerne ich gerade die genaue Bedeutung des Wortes Lagerkoller kennen - mir fällt wirklich langsam die Decke auf den Kopf. So langsam ist alles ausgereizt - Internet, PC-Spiele, Bücher, Filme, auf nichts hat man mehr wirklich Lust und nichts kann einen länger beschäftigen.
Ich will einfach nur noch raus, wieder Auto fahren und laufen und am Leben teilnehmen. Noch 1,5 Wochen sind es bis zur OP, die muß ich jetzt noch irgendwie rumbringen. Aber spannend ist anders, definitiv.

ICH
WILL
RAUS!!!!!!

Freitag, 22. Juli 2011

Missing!

Der Jörch hat angemerkt, dass die Einträge auf dem Blog doch momentan eher depressiven Stimmungen entspringen. Nun, da hat er wohl recht. Jetzt hab ich die Woche rumgegrübelt, ob ich denn was positives schreiben könne. Viel ist mir da leider nicht eingefallen, das muß ich zugeben. Ich vermisse derzeit so viel, dass es mich manchmal zerreißt und ich einfach laut schreien möchte.

Ich vermisse den Wald und das Laufen.
Ich vermisse es am See Schorle zu trinken und beim Griech Peperoni mit Knoblauch zu genießen.
Ich vermisse es schwimmen zu gehen.
Ich vermisse meine Wohnung.
Ich vermisse das Autofahren.
Ich vermisse das Büro und die Menschen da.
Ich vermisse das Leben, das draußen einfach weiter läuft, ohne mich, denn ich kann nicht dran teilnehmen.
Ich vermisse die Oase.
Ich vermisse es, shoppen gehen zu können. Oder zum Friseur. Oder einfach Lebensmittel.
Ich vermisse es, einfach hingehen zu können wo ich will.

Ich habe noch 7 Wochen vor mir. 7 Wochen!! Natürlich geht es mir soweit gut, ich kann mich nicht beklagen, alles kümmert sich ganz lieb um mich. Trotzdem kann niemand das ersetzen, was mir am meisten fehlt - die Freiheit dass zu tun, was ich möchte.